Vorab: Ich habe das wasserlose Kühlmittel noch nie verwendet und habe daher keine persönlichen Erfahrungen mit diesem Produkt. Ich bin bis dato mit Wasser/Glysantin immer gut zurecht gekommen, sodass sich nie der Wunsch nach Änderung ergeben hat.
Aber: Ich befasse mich im industriellen Umfeld fast täglich mit verschiedenen Temperiersystemen, die entweder Wasser- oder (Thermal-) Öl als Wärmeträger verwenden, weshalb ich solche Systeme grundsätzlich nicht schlecht finde.
Es ist richtig, dass Wasser aufgrund seiner hohen spezifischen Wärmekapazität ein besonders leistungsfähiger Wärmeträger ist, andere Vorteile wie z.B. hohe Verfügbarkeit usw kommen hinzu.
Nur teilweise richtig ist, dass ein System zwangsläufig insgesamt wärmer wird, nur weil der Wärmeträger eine andere spezifische Wärmekapazität hat. Es kann passieren, muss aber nicht. Es passier letztendlich nur dann, wenn das System in den Grenzbereich seiner übertragbaren Leistung kommt.
Die Wärmemenge, die in einem Kühlsystem übertragen (abgeführt) wird, hängt von drei Faktoren ab:
- Spezifische Wärmekapazität des Wärmeträgers
- Volumenstrom
- Temperaturdifferenz (einmal Motor/Wärmeträger und einmal Wärmeträger/Umgebungsluft)
Angenommen, die Temperaturdifferenzen Motor/Umgebung sind identisch und der Volumenstrom (weil die Pumpe dieselbe bleibt) ebenfalls, bedeutet das, dass das System mit einem Wärmeträger mit geringerer spezifischer Wärmekapazität eine geringere MAXIMAL-Leistung hat.
Aber das Kühlsystem eines Autos läuft normalerweise bei weitem nicht auf Maximalleistung. Da die Pumpe fest mit der Motordrehzahl gekoppelt ist, kann diese nicht zum Regeln der Kühlleistung genutzt werden - diese Funktion erfüllt der Thermostat. Mit diesem wird im Normalfall nur ein Teil des Kühlmittels durch den Kühler geleitet, der Rest verbleibt im "kleinen" Motorkreislauf. Wäre der Anteil, der durch den Kühler geleitet zu groß, erreicht bzw. hält der Motor nicht seine Betriebstemperatur.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass mit der wasserlosen Kühlflüssigkeit der Motor nicht unbedingt wärmer läuft, sondern lediglich ein größerer Anteil des Mediums durch den Kühler geleitet werden muss, um dieselbe Wärmemenge abgeben zu können und damit das System auf derselben Temperatur zu halten. Das bekommt vermutlich der Thermostat von alleine hin.
Wenn nicht, und der Motor wird tatsächlich einige Grad wärmer als zuvor, der Nutzer möchte das nicht, möchte aber dennoch den wasserfreien Wärmeträger einsetzen, dann wäre aus meiner Sicht der erste Ansatz, beispielsweise einen 82°- oder gar einen 74°C-Thermostaten einzubauen (Standard ist meistens 88°C). Diese machen letztlich nichts anderes, als bei einer niedrigeren Temperatur zu beginnen den Kühlkreislauf zu öffnen und bei derselben Temperatur wie zuvor einen größeren Anteil des Wärmeträgers durch den Kühler zu leiten - damit wird mehr Wärme abgeführt bzw. die geringere Wärmekapazität des wasserlosen Mediums durch einen höheren Volumenstrom durch den Kühler kompensiert.
Fazit:
Pauschal zu sagen, dass das wasserfreie Kühlmittel nicht funktioniert, man zwangsläufig höhere Systemteraturen akzeptieren muss oder ähnliches ist meines Erachtens nicht richtig.
Nichtsdestotrotz sind wasserbasierte Systeme in Autos nicht umsonst "Stand der Technik" - ihre Vorteile überwiegen in Summe. Werden diese Systeme gut gewartet und instand gehalten, sind sie betriebssicher und leistungsfähig.
Gruß,
Thomas